Gelungenes Marketing für digitale Schulbücher wie das mBook unterscheidet sich von dem für gedruckte Schulbücher. Anders als beim klassischen Schulbuch geht es nicht nur um die Vermarktung des Lehrwerks, vielmehr eröffnet sich die Möglichkeit, die Information über die Praxis digitalen Unterrichtens, über die didaktischen Eigenheiten des Lehr- und Lernmittels sowie über Vernetzungsmöglichkeiten und über die Erfahrungen anderer Kolleginnen und Kollegen mit dem digitalen Schulbuch zu einem Teil des Marketings zu machen.
Die Art und Weise, wie mit einem digital-multimedialen Schulbuch unterrichtet wird, und die Zweckmäßigkeit dieser Form des Schulbuches zur Lösung (fach-)didaktischer Herausforderungen muss erfolgreich kommuniziert werden. Während bei einem gedruckten Schulbuch den Kunden insbesondere das spezifische Lehrwerkskonzept einer ansonsten schon länger bekannten Vorgehensweise vermittelt werden muss, kommen bei volldigitalen Neuentwicklungen wie dem mBook Informationen über den digitalen Mehr- und Neuwert hinzu: Was nützen Lehrenden und Lernenden die Fähigkeiten digital-multimedialer Schulbücher und wie gestaltet man folglich den Unterricht und das Lernen mit diesen Schulbüchern? Neben dem Handling, den didaktischen Konzepten und den technischen Grundlagen kann und muss dabei auch über den im Rahmen der Digitalisierung notwendigen Unterrichtswandel gesprochen werden. Immer wieder geht es im Zuge der Einführung digitaler Lehr- und Lernmittel nämlich darum, den Einstellungswandel von Lehrerinnen und Lehrern zu begleiten, Ängste abzubauen, Chancen zu thematisieren und auf Hilfsmöglichkeiten hinzuweisen. Digitalisierung ist im Bildungsbereich oftmals kein Selbstläufer und die Implementierung von Digitalisierung verlangt ausführliche Kommunikation. Nur ein breites Gesprächsangebot schafft ein nachhaltiges Verständnis für Veränderungsprozesse und das ist die Voraussetzung dafür, Begeisterung für die vielfältigen Möglichkeiten digitaler Lehr- und Lernmittel wecken zu können. Zudem ist es eine Herausforderung, das Interesse von Lehrerinnen und Lehrern nach einem ersten Blick auf digitale Angebote langfristig zu erhalten und sie für die Arbeit mit digitalen Produkten zu begeistern.
Ein Unterschied zwischen der Vermarktung gedruckter und digitaler Lehr- und Lernmittel liegt folglich darin, dass bei gedruckten Werken die Vertriebsarbeit in der Regel dann abgeschlossen ist, wenn die Schule das entsprechende Lehrwerk angeschafft hat.
Das Institut für digitales Lernen hat mit dem mBook ein Angebot entwickelt, das eine stabile Materialgrundlage für die Umsetzung des Lehrplans und damit für jedes zu behandelnde Thema des alltäglichen Unterrichts bietet. Bei der Arbeit mit dem mBook geht es also nicht nur um eine ausschnitthafte Arbeit mit digitalen Mitteln zu einzelnen Themen oder Themenbereichen, sondern darum, eine durchgehende Unterrichtspraxis mit einem digitalen Schulbuch zu entwickeln. Daher beruht beim Institut für digitales Lernen das Vertriebskonzept für das mBook auf einer neu entwickelten Konzeption. Die Schulbuchverlage arbeiten v. a. mit Teams von Vertriebsmitarbeiterinnen und -mitarbeitern, die die Schulen vor Ort sowie Bildungsveranstaltungen und Messen besuchen und die gedruckten Schulbücher dort präsentieren. Bei einem digitalen Lehrwerk hingegen ist es nur konsequent, verstärkt auf Online-Vermarktungskanäle zu setzen, nicht nur, weil kein physisches Produkt zur Präsentation vorhanden ist, sondern vor allem, weil das digitale Schulbuch nur online genutzt werden kann. Die Kunden entdecken online das Produkt, informieren sich online und nutzen es auch so: online. Sie loggen sich ein, verwalten Lehrer- und Schüleraccounts, können im System ihren Unterricht vorbereiten und unterrichten in der Schule online mit dem Buch. Diese Überlegungen zur Notwendigkeit einer Online-Vermarktungsstrategie für digital-multimediale Schulbücher sollen nun anhand einer konkreten Implementierungskampagne für ein mBook verdeutlicht werden. Dabei handelt es sich um die Einführung des mBooks Geschichte Gemeinsames Lernen (GL) an den Schulen Nordrhein-Westfalens 2018/2019.1
Im Jahr 2018 beschloss das Ministerium für Schule und Bildung zusammen mit der Medienberatung Nordrhein-Westfalen, die Schulen bei der Digitalisierung stärker zu unterstützen. Das zu verlegende, leistungsfähige Glasfaserkabel soll nicht am Schulgrundstück ankommen, ohne dass es Konzepte für dessen sinnvolle Nutzung in unterrichtlichen Zusammenhängen gibt. Die großen didaktischen und organisatorischen Fragen stellen sich für Schule und Unterricht ja erst dann, wenn die Verkabelung umgesetzt ist und in den Klassenräumen eine durchgehende Internetversorgung garantiert werden kann: Welche Ausstattung? Mit welchen Materialien? Wer zahlt das? Wie halten Lehrerinnen und Lehrer digitalen Unterricht? Und wer bringt ihnen wiederum das digitale Unterrichten bei?
Antworten darauf sollten in Nordrhein-Westfalen insgesamt fünf Auftaktkonferenzen (eine Konferenz je Regierungsbezirk) unter dem Motto „Digitaloffensive Schule NRW“ geben, an denen Pädagoginnen und Pädagogen aller Schularten und -stufen, Kolleginnen und Kollegen des Aus- und Weiterbildungsbereichs, Medienberaterinnen und -berater, Vertreterinnen und Vertreter von Schulverwaltungen und Schulträgern und viele weitere Interessierte teilnahmen.2
Im Zuge der „Digitaloffensive Schule NRW“ fand am 7. Juni 2018 in Dortmund die Auftaktkonferenz für den Regierungsbezirk Arnsberg statt. Bei dieser Konferenz wurde das mBook GL dem Fachpublikum präsentiert und seine Nutzung wurde freigegeben. Auch wenn diese Veranstaltung in den regionalen Medien Aufmerksamkeit fand, so war das allein noch keine Garantie für die Nutzung des mBooks GL an den Schulen des Regierungsbezirks.
Die oben erwähnten Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Auftaktkonferenz(en) repräsentieren natürlich nur einen kleinen Teil der Zielgruppe. Digitale Unterrichtsmedien sollten nicht mehr nur als Objekte von Modellversuchen und Versuchsklassen betrachtet werden. Wenn sie sich am Lehrplan orientieren und Zulassungen bekommen haben, richten sie sich an alle Lehrenden und Lernenden.3 Für diese Zielgruppen lassen sich Online-Informationsmöglichkeiten heutzutage immer leichter erschließen. So liegt es wie gesagt nahe, ein digitales Produkt, das online vertrieben und genutzt wird, auch vor allem online zu bewerben. Eine weitere Motivation für diesen Weg besteht im angestrebten Wandel hin zu einem digitalen Unterricht: Schülerinnen und Schüler wachsen in einer digitalen Welt auf und werden nach ihrer Schul- und Ausbildungs- oder Studienlaufbahn in eine solche entlassen. Daher ist es sinnvoll, die gesamten Begleitumstände eines digitalen Lehrwerks wie Bestellung, Vertrieb, Werbung und Kundenbetreuung auch durchgehend digital zu gestalten und eben kein analog-digitales ,Mischverfahren‘ zu betreiben, das in einer digitalen Welt weder nötig noch effektiv ist. Zusammengefasst: Ein digitales Werk ist für eine digitale Gesellschaft gedacht, in der digitale Prozesse und Strukturen die Lebenswirklichkeit immer stärker bestimmen. Ein digitales Schulbuch ist für Online- und Social-Marketing prädestiniert.
Auch wenn das Wort „digital“ im letzten Absatz zurecht sehr häufig gefallen ist, sollten wir hier eine kleine Einschränkung vornehmen: Natürlich bewegen sich Lehrende und Lernende zunächst und sehr weitgehend in einer materiellen, also analogen Welt, nutzen unterschiedliche Mediengenres und unterliegen Raum-Zeit-Konstruktionen, die nach wie vor das Leben in der analogen Welt bestimmen. Eine erfolgreiche digitale Kampagne zur Einführung eines neuen digitalen Lehr- und Lernmittels muss demnach Analoges und Digitales zusammenführen: So konnte z. B. die offizielle Einführung des mBooks GL am 7. Juni 2018 in Dortmund als Einstieg in eine begleitende Social-Media-Kampagne genutzt werden, weil das Geschehen vor Ort in unterschiedlichen medialen Formaten aufgenommen, verarbeitet und verbreitet wurde. Die Veranstaltung wurde gefilmt und kurze Ausschnitte und Fotos davon wurden zum Teil in Echtzeit über die Social-MediaAccounts (Facebook, Twitter) des Instituts für digitales Lernen veröffentlicht. Mit einem Informationsstand, Interviews, Live-Vorführungen, Gesprächen (auf und neben der Bühne), Fotos, Flyern und ausführlicheren Erklärtexten sollte eine komplexe, zugleich jedoch greifbare und medial vielfältige Kommunikationsumgebung vor Ort und im Netz geschaffen werden. Das gelang und deshalb konnte schon während der Veranstaltung ein größeres Publikum als das in Dortmund anwesende erreicht werden. Die Veranstaltung wurde somit nicht nur live einer großen Zahl an Interessierten präsentiert, sie wurde auch langfristig gesichert und ist weiterhin abrufbar.
Der Gedanke hinter dem Beginn der Implementierungskampagne für das mBook GL war demnach eine Verknüpfung von Vor-Ort-Ereignissen mit digitalen Verbreitungswegen. Sie war als digitale Implementierungs- und Begleitkampagne entworfen und setzt auf die synergetischen und vervielfältigenden Effekte von Vernetzung: Alle am Prozess der mBook-Implementierung Beteiligten haben die Möglichkeit, sich auf digitalen Wegen schnell und direkt auszutauschen. Wenn das angesprochene Thema digital teilbar ist (Social-Media-Posts, Blogartikel etc.), erleichtert das die Kommunikation ungemein.
Ein weiterer wichtiger Aspekt der Kampagne ist der digitale Support für die Nutzerinnen und Nutzer des mBooks GL. In sozialen Netzwerken ist eine permanente Interaktion von Produzent (Person, die einen Beitrag postet) und Rezipient (Person, die einen Betrag liest) möglich. So können Lehrerinnen und Lehrer ihre Fragen, etwa zu bestimmten Funktionen im mBook, an einen thematisch verwandten Post des Instituts für digitales Lernen anschließen oder via Direktnachricht stellen. Dort können sie auch beantwortet werden.
Die Zusammenführung aller Informationen erfolgt über den hauseigenen Praxisblog zum mBook Gemeinsames Lernen.4 Die begleitende Seite zur Arbeit mit dem mBook GL ging am 3. November 2018 online, wird zweimal wöchentlich aktualisiert und gliedert sich in neun thematische Bereiche:
Alle von uns entwickelten Bereiche bieten kurze Formate und informelle Anhaltspunkte, sich mit dem Thema Inklusion zu beschäftigen. Sie sind sozusagen Anregungen für die weitere Beschäftigung mit dem Thema Inklusion im Unterricht und die Nutzung des mBooks GL. Anhand der Inhalte in den einzelnen Bereichen lässt sich die Kombination aus Analogem (Ereignis, Konferenz, Entwicklung) und Digitalem (Verbreitung über soziale Medien, Hinweise auf Kapitel im mBook GL) tragfähig miteinander verknüpfen und es lässt sich ein digitaler Mehrwert (Interaktion und Feedback in sozialen Netzwerken) daraus ableiten.
Das mBook GL und alle mit seiner Nutzung zusammenhängenden Themen und Fragen werden über den Praxisblog bekannt gemacht: Ein Beitrag wird verfasst, auf dem Blog eingestellt und veröffentlicht. Anschließend wird dieser Beitrag über Facebook und Twitter geteilt und beworben. So kann der jeweils aktuellste Artikel gefeatured, also prominent dargestellt werden, und es ergeben sich über die Kommentarfunktion im Blog, die Kommentar- und Share-Funktion bei Facebook und die Antwort und Retweetfunktion bei Twitter Möglichkeiten zur Interaktion.
Ein Beispiel: Der Blogbeitrag vom 13. Dezember 2018 in der Kategorie „Meilensteine Inklusion“ befasst sich mit dem Übereinkommen zu den Rechten von Menschen mit Behinderung, das auf den Tag genau zwölf Jahre zuvor verabschiedet worden war.5 Der Beitrag rückt also einen wichtigen Jahrestag zum Thema Inklusion und Menschenrechte ins Bewusstsein und bietet diesen Jahrestag als Unterrichtsgegenstand an. Am Ende des Beitrags gibt es zudem Hinweise auf Kapitel im mBook GL, die dieses Thema behandeln oder mit denen man ein solches Thema verbinden könnte. Wenn Lehrende und Lernende weitere Fragen oder Bemerkungen zu dem Unterrichtsvorschlag haben, können sie diese dort direkt einbringen.
Doch mit digitaler Unterrichtsvorbereitung und den Interaktionsmöglichkeiten ist es nicht getan: Auch ein digitales Schulbuch kommt ohne ,klassische‘ Öffentlichkeitsarbeit nicht aus. Ein Beispiel dafür halten Sie gerade in Händen: Diese Buchpublikation und damit die ,Berichterstattung‘ über das mBook GL erreicht – so wie das auch über die digitalen Kanäle funktioniert – ein großes Publikum und erklärt diesem das Produkt. Darüber hinaus wird das mBook GL auf Bildungs- und Buchmessen sowie bei Fachtagungen oder Strategiekonferenzen am Stand des Instituts für digitales Lernen oder seiner Projektpartner vorgestellt.
Auch in den Veranstaltungen der bekannten Institutionen für Lehreraus- und weiterbildung, Lehrplanentwicklung und Lehrplanarbeit ist das mBook oftmals Thema: Kolleginnen und Kollegen etwa aus der Medienberatung, von den Lehrerausbildungsseminaren, der Fachberatung oder den schulischen Fachkonferenzen nehmen dann für das mBook GL eine Multiplikatorrolle ein. Sie tragen die Informationen über das mBook in die Schulen, Institute und Seminare, geben Hinweise zur Weiterentwicklung des Produkts und gestalten passende Ausbildungs-, Unterrichts- und Prüfungskonzepte. In der Nachbereitung all dieser Veranstaltungen spielen mBook und Begleitkampagne ihre Stärken aus: Rückfragen der Kolleginnen und Kollegen können gestellt, geteilt und weiterbearbeitet werden.
Wie lässt sich nun der Erfolg digitaler Marketingmaßnahmen zum mBook GL messen und wie kann man möglichst viel aus dem Verlauf der Kampagnen lernen? Neben der Analyse der Lizenz- oder Nutzerzahlen des mBooks GL lassen sich im Online-Marketing unterschiedliche Metriken heranziehen:
Diese Kennzahlen aus dem Online-Marketing lassen sowohl Schlüsse über den quantitativen Erfolg einzelner Beiträge als auch über den Nutzen und die Qualität der jeweiligen Inhalte zu. Sind die Inhalte relevant und nutzbar für Lehrende? Regen sie dazu an, sich mit dem mBook GL im Unterricht zu beschäftigen? Zudem wollen wir wissen, ob die Beiträge einen Einfluss auf die Verwendung des mBooks im Unterricht haben: Kommen die Lehrerinnen und Lehrer mit der Nutzung des mBooks besser klar und können sie die Features sinnvoll im Unterricht einsetzen?
Sowohl digitales Publizieren als auch digitales Marketing unterliegen in Zeiten der Digitalisierung einem ständigen Wandel. Daher sind Auswertung und Monitoring sehr wichtig: Erreichen wir mit unseren Maßnahmen die gewünschten Zielgruppen? Sind Ansprache und Format wirksam? Nur allein auf bewährte Marketingmaßnahmen zu vertrauen und dabei aktuelle Trends und Entwicklungen zu missachten, ist in einer Welt rascher Veränderungen risikoreich, denn die Gefahr ist hoch, dass man den Anschluss an neue Produktionsprozesse und Marketingmöglichkeiten verliert. Neue Wege zumindest zu erproben, ist folglich eine unabweisbare Aufgabe aller Marketingabteilungen – auch und gerade wenn es um die Digitalisierung der Bildung geht.
Zitiervorschlag: Florian Sochatzy und Marcus Ventzke (Hrsg.), Bildung digital gestalten, Eichstätt 2020, Kap. Über die Notwendigkeit einer nachhaltigen Marketing- und Implementierungsstrategie für digitale Schulbücher https://bildung-digital-gestalten.institut-fuer-digitales-lernen.de/inhalt/nachhaltiges-marketing 23.10.2020. content_copy kopiert!
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