Grundsätzlich unterscheidet sich ein mBook-Kapitel nicht von den Kapiteln eines gedruckten Geschichtsbuchs. Auch das mBook arbeitet mit Überschriften, Autorentexten, Bildern, Quellen und Darstellungen, zusammenfassend-verdichtenden Elementen sowie Aufgabenstellungen, die sich auf das angebotene Material beziehen.
Was das mBook aber vom gedruckten Buch unterscheidet, ist der potenziell unendlich vorhandene Raum. Ein digitales Produkt wie das mBook unterliegt nicht denselben Beschränkungen wie ein gedrucktes Buch. Es gibt im Prinzip unbegrenzt viele Seiten mit unbegrenzt viel Platz. Das ist für Autorinnen und Autoren erst einmal ein Geschenk. Sie können dieses Geschenk zunächst rein quantitativ betrachten und beispielsweise nutzen, um mehr Quellen und Darstellungen anzuführen und diese im Anforderungsniveau zu differenzieren. Man kann dadurch in Bildergalerien ganze Geschichten anhand mehrerer Bilder und ihrer ausführlicheren Bildunterschriften erzählen. Inhaltliche Exkurse und vertiefende oder erweiternde Materialangebote am Kapitelende können ebenso angeboten werden wie Narrationen aus mehreren Perspektiven.
Jeder Schulbuchautor und jede Schulbuchautorin weiß aber auch, dass die Qualität eines Schulbuchs nicht von schierer Menge bestimmt wird. Daher ist der unbegrenzte Raum ein Geschenk, mit dem man verantwortungsvoll umgehen muss. Denn in seiner Anwendung im Unterricht unterliegt das mBook natürlich derselben Beschränkung wie alle anderen Unterrichtsmaterialien – der der Zeit. Auch mit einem inhaltlich überquellenden digitalen Geschichtsbuch stehen Lehrende und Lernende nicht mehr Unterrichtsstunden zur Auseinandersetzung mit den Inhalten zur Verfügung.
In einem konventionellen Buch ist der Inhalt eines Kapitels offensichtlich. Man schlägt das Buch auf und sieht ihn. Der Inhalt eines mBook-Kapitels ist nicht auf den ersten Blick (vollständig) offensichtlich. Er stellt sich auf mehreren Ebenen dar. Quellen-, Darstellungs- und Merkkästen sind auf der Oberfläche zunächst nur anhand ihres Titels erkennbar. Ihr vollständiger Inhalt wird erst nach Anklicken und Aufklappen angezeigt. Von Bildergalerien erscheint auf der Oberfläche nur das Vorschaubild. Auch sie müssen angeklickt und durchgeblättert werden, damit sie ihren vollständigen Inhalt offenbaren. Links auf andere mBook-Seiten und externe Webseiten weisen über das aufgeschlagene Kapitel hinaus und bieten weiteres Material an.
Diese Vielschichtigkeit wird im Konzept des mBooks als „Zwei-Ebenen-System“ bezeichnet. Sie ermöglicht es, das Inhaltsangebot (zum Teil erheblich) zu erweitern und die Kapitelstruktur dennoch übersichtlich zu halten. Wenn man mit mehreren Ebene arbeitet und damit einen gewissen Teil des Inhalts zunächst auf einer zweiten Ebene ,versteckt‘, besteht grundsätzlich die Gefahr, dass zumeist an lineare Materialpräsentation gewöhnte Leserinnen und Leser einmal Angeschautes im Gesamtangebot nicht wiederfinden und sich in zu vielen Schichten verlieren. Dem können Autorinnen und Autoren mit mehreren Mitteln entgegenwirken.
Mediennutzung ist im mBook kein Selbstzweck. Unterschiedliche mediale Darstellungsformen werden nicht deshalb aufgenommen, weil sie z. B. bewegliche Bilder enthalten (Filme, Animationen), mehr Farbe ins Buch bringen, irgendwie ‚neu‘ sind oder gefälliger als Fließtexte erscheinen. Wechselnde Medienangebote können dabei helfen, Inhalte zu veranschaulichen und zu verdichten. Gut gemachte und richtig eingesetzte Medien sparen Raum und Zeit und bilden einen Erkenntnisprozess ab, der von Leserinnen und Lesern, die einen individuellen Zugang zum mBook haben, zu jeder Zeit und so oft wie gewollt nachvollzogen werden kann. An den zwei folgenden Beispielen soll dies verdeutlicht werden, einem animierten Schaubild und einer Kartenanimation:
Anhand der Verfassung der Römischen Republik kann man Schülerinnen und Schülern die politischen Eigenarten Roms sehr gut erläutern. Diese Republik bildete den Machtkampf zwischen den großen römischen Bevölkerungsgruppen ab, ihre Verfassung zeigt, dass die Römische Republik eine Mischform aus der bereits von der griechischen Polis bekannten Demokratie und einer aristokratischen Herrschaft darstellt. Zugleich lässt sich verdeutlichen, wie Auseinandersetzung und Ausgleich zwischen Plebejern und Patriziern zur Entstehung dieser besonderen Mischform geführt haben. Die Verfassung lädt ein, sich grundsätzliche Fragen zu Volksherrschaft, Interessenvertretung von Gruppen und dem Status politischer Akteure zu stellen und zu untersuchen, wie diese damals beantwortet wurden und wie sie in unserem heutigen politischen System beantwortet werden.
Um dieses Potenzial in einem gedruckten Buch auszuschöpfen, bräuchte man wohl mindestens ein Verfassungsschaubild sowie einen erklärenden Text. Daraus ergeben sich mehrere Probleme:
Eine Animation zum Thema „Verfassung“ löst all diese Probleme sehr elegant:
Verfassungsschema als animiertes Schaubild aus dem mBook Geschichte: Erkennbar ist die Entwicklung des Informationsflusses vom oberen...
Dass die Eroberung Konstantinopels durch die Türken, das Zeitalter der Entdeckungen und die europäische Renaissance in einem Zusammenhang stehen, ist für Schülerinnen und Schüler nicht unbedingt ein naheliegender Gedanke. Die Orte liegen zu weit voneinander entfernt und die beteiligten Personengruppen (Türken und Byzantiner hier, Spanier, Portugiesen und Venezianer dort) haben vordergründig wenig miteinander zu tun.
Wie lässt sich also eine eingängige Verbindung herstellen?
Diese Aspekte könn(t)en durchaus in gedruckten Geschichtsbüchern aufgegriffen und bearbeitet werden, aufgrund des chronischen Platzmangels dieser Bücher werden sie aber wohl nur selten allesamt behandelt. Einer Kartenanimation von drei Minuten Länge gelingt es hingegen,
Zitiervorschlag: Florian Sochatzy und Marcus Ventzke (Hrsg.), Bildung digital gestalten, Eichstätt 2020, Kap. Wie die Narration des mBooks entsteht – Einblicke https://bildung-digital-gestalten.institut-fuer-digitales-lernen.de/inhalt/narration-des-mbooks 23.10.2020. content_copy kopiert!
chevron_left chevron_right